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31. Januar 2004 — 46 Jahre

Martin Görges war 46 Jahre alt, als er in Burg (Jerichower Land) von vier Jugendlichen misshandelt und getötet wurde.

Wer war Martin Görges?

Über Martin Görges ist nur wenig bekannt. Er war gelernter Maurer und schon einige Zeit vor seinem Tod arbeitslos. Im Jahr 2000 war Martin Görges vom Landgericht Stendal wegen schweren sexuellen Missbrauchs an seiner damals sechsjährigen Stieftochter zu einer eineinhalbjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Er war alkoholabhängig und wurde von einer Sozialarbeiterin betreut. Der 46-Jährige lebte zuletzt ohne festen Wohnsitz und schlief oft bei einem Kumpel.

Was ist passiert?

Am Abend des 31. Januar 2004 besuchte Martin Görges die Diskothek „Tanzhalle“, die sich im Zentrum der Kreisstadt Burg, knapp 50 Meter vom Polizeirevier entfernt befand. Die späteren Täter im Alter zwischen 16 und 19 Jahren waren auch in dem Tanzcafé und kannten sich mehr oder weniger gut. Einer der beiden 19-Jährigen traf mit seiner Mutter, einer früheren Schulfreundin Martin Görges, und seiner Lebensgefährtin gegen 0:40 Uhr als letztes ein. Da er und Martin Görges sich flüchtig vom Angeln kannten, begrüßten sie sich mit Handschlag. Dabei erkannte seine Mutter den 46-Jährigen, woraus sich ein reger Austausch und Flirt entwickelte.

Die beiden tanzten mehrfach zusammen und gingen zwischenzeitlich händchenhaltend vor die Tür. Das machte den 19-Jährigen, der den wohnungslosen Martin Görges als ungepflegt und „asozial“ ansah, zunehmend wütender. So beschloss er, den 46-Jährigen zusammenzuschlagen, was er auch seinen beiden jüngeren Bekannten kundtat. Diese erklärten sich spontan bereit, ihn dabei zu unterstützten. Von Martin Görges Vorstrafe wegen Kindesmissbrauchs wusste der 19-Jährige zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Wohl aber der 17-Jährige, der bei den neonazistischen „Freien Nationalisten” im Landkreis aktiv war und das der Gruppe, während sich der zweite 19-Jährige dem Vorhaben anschloss, erzählte. Ein „weiterer Grund“ für die Beteiligten, Martin Görges zu „bestrafen“ und „ernsthaft zu verletzen“, wie es später im Urteil hieß.

Als Martin Görges morgens gegen 1:30 Uhr die Diskothek verließ, folgten ihm zunächst der 19-jährige Initiator und seine jüngeren Bekannten zum Durchgang von der Bahnhofsstraße zum Goethepark. Dort sprühten sie ihm Pfefferspray ins Gesicht und brachten ihn zu Fall. Dann traten alle drei minutenlang gezielt und mit voller Wucht gegen den Oberkörper des am Boden Liegenden. Als sie erkannten, dass sie Martin Görges schwer verletzt hatten, gingen sie wieder in die Diskothek, um weiter Alkohol zu trinken.

Noch zwei Mal kehrten sie – jetzt auch mit dem zweiten 19-Jährigen – zu dem augenscheinlich völlig wehrlosen Martin Görges zurück, um ihn erneut zu malträtieren. Gegen 2 Uhr zerrte dieser den regungslos am Boden Liegenden von dem relativ gut beleuchteten Tatort in den dunklen Hinterhof einer nahegelegenen Spielothek. Er platzierte den Kopf seines Opfers mit geöffnetem Mund auf eine Stufe und trat Martin Görges so auf den Hinterkopf, dass es hörbar knackte. Als noch ein Stöhnen und Röcheln zu vernehmen war, trat der 17-Jährige ihm noch mehrfach gegen Kopf und Körper. Danach ließ die Gruppe Martin Görges im Wissen darüber, dass er im Sterben liegt, zurück und ging in die Diskothek tanzen. Gegen 3 Uhr nachts erlag Martin Görges noch am Tatort den massiven Verletzungen, die er am ganzen Körper erlitten hatte.

Der Prozess gegen die Täter

Bereits bei ihrer späteren Festnahme gaben die Jugendlichen an, dass sie den „Kinderschänder“ bestrafen wollten. In der Hauptverhandlung vor der Jugendkammer am Landgericht Stendal im Sommer 2004 erklärte der 19-jährige Haupttäter, er hätte an Martin Görges den sog. Bordsteinkick nach dem Vorbild der Hauptfigur im Film „American History X“ ausprobieren wollen, einem US-amerikanischen Neonazi, der damit sein Opfer gezielt getötet hatte.

Ihn verurteilte das Landgericht Stendal am 23. Juli 2004 wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren. Die drei 16- bis 19-jährigen Mittäter wurden wegen Beihilfe zum Totschlag bzw. versuchten Totschlags sowie gefährlicher Körperverletzung zu Jugendstrafen zwischen drei und viereinhalb Jahren verurteilt. Laut Urteil sei die Tatsache, dass es sich bei dem Opfer um einen Sexualstraftäter gehandelt hätte, „Motivation und Rechtfertigung“ für den tödlichen Angriff gewesen.

 

Öffentliches Gedenken

Bis auf einige Online-Gedenkinitiativen wie KeinVergessen oder die der Mobilen Opferberatung, die u.a. mit Gedenkposts an den Todestagen an das Schicksal Martin Görges erinnern, ist kein darüber hinaus gehendes, öffentliches Gedenken an ihn bekannt.

 

Martin Görges wird von der Landesregierung nicht offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt.