“Rechtsextremer Gewalt jeden Platz nehmen”
70 Menschen erinnerten am 11. Juni 2014 in Dessau an Alberto Adriano und Hans-Joachim Sbrzesny.
14 Jahre nach dem Mord an Alberto Adriano kamen 70 Menschen bei regnerischem Wetter im Dessauer Stadtpark zum gemeinsamen jährlichen Gedenken an Alberto Adriano zusammen. Vor 14 Jahren hatte sich Alberto Adriano mit Freunden das Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft angesehen und war gerade auf Heimweg durch den Park zu seiner Familie, als er von drei Neonazis angegriffen wurde. Drei Tage starb der dreifache Familienvater an den Folgen zahlloser Verletzungen. Erstmals wurde am diesjährigen „Tag der Erinnerung“ auch an Hans-Joachim Sbrzesny gedacht, der am 1. August 2008 von zwei rechten Schlägern am Dessauer Hauptbahnhof getötet wurde.
Eine lebendige Erinnerungskultur
Alle Redner_innen setzten sich in ihren Ansprachen damit auseinander, wie eine lebendige Erinnerungskultur weiterzuentwickelt werden und damit auch aktuellen neonazistischen Aktivitäten entgegen gewirkt werden kann. So erinnerte Klemens Koschig, Oberbürgermeister der Stadt Dessau/ Roßlau mit eindringlichen Worten daran, dass die tödlichen Angriffe zwar nicht rückgängig zu machen seien, er sich jedoch in seinem Amt dafür einsetze, dass „rassistischem Gedankengut und rechtsextremer Gewalt jeder Platz genommen wird“.
Dr. Helga Paschke, Vizepräsidentin des Landtages von Sachsen-Anhalt betonte, “Rassismus und Neonazismus seien kein Problem des Ostens oder der Jugend”. Menschen mit diesen Einstellungen seien „Träger einer zutiefst menschenverachtenden und die demokratische Gesellschaft bedrohenden Ideologie, die die Mitte der Gesellschaft erreicht hat. In Deutschland und Europa“, so Paschke. Paschke wünschte sich zudem, dass “Polizei und Ermittlungsbehörden in ihren Ermittlungen bei Angriffen stärker auf ein rechtsextremistisches Tatmotiv” achten.
Nach einem interreligiösem Gebet legten die Besucher_innen zunächst Blumen und Kränze an der Alberto Adriano gewidmeten Stele nieder und gingen dann zur Parkbank am Dessauer Hauptbahnhof, wo Hans-Joachim Sbrzesny tödlich misshandelt worden war. Hier betonte Joachim Liebig, Präsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts davon, wie wichtig es sei, sowohl öffentlich an den Tod von Sbrzesny als auch an alle Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt zu erinnern. Notwendig sei es zudem, “rassistische und neonazistische Gewalt öffentlich zu benennen”, sagte Liebig.
Ausstellungseröffnung “Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen” im Multikulturellen Zentrum
Den Abschluss der Gedenkveranstaltung bildete die Ausstellungseröffnung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ im Multikulturellen Zentrum in Dessau. Die 22 Tafeln setzen sich mit den Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) von 2000 bis 2007 sowie der gesellschaftlichen Aufarbeitung nach der Selbstenttarnung des mutmaßlichen NSU-Kerntrios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe im November 2011 auseinander. Susi Möbbeck, Integrationsbeauftragte des Landes Sachsen-Anhalt, die in die Ausstellung einführte, bezeichnete die biografischen Tafeln zu den neun erschossenen migrantischen Kleinunternehmern und der thüringischen Polizistin Michéle Kiesewetter als ein zentrales Element von Erinnerungsarbeit. Damit würden “die Opfer als Menschen wieder in die öffentliche Wahrnehmung rücken”, sagte Möbbeck. Die Ausstellungsmacherin Birgit Mair erklärte, sie wolle mit der Ausstellung der jahrelangen Stigmatisierung und Kriminalisierung der Mordopfer und ihrer Angehörigen “die Gesichter von Vätern und Söhnen” entgegensetzen.